Neulich war mir langweilig und da habe ich angefangen zu häkeln. Ich wollte irgendeinen Text häkeln, und wie das eine in meinem Kopf zum anderen kam, sah ich mich letztendlich den ersten Absatz des ersten Artikels des Grundgesetzes häkeln: „(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Auch wenn dies ein wenig wenig erscheint, zieht sich dieses Unterfangen bis heute und wird sich auch noch ein wenig ziehen. Und da kam mir der Gedanke des heutigen Newsletters: Bewusstmachung der demokratischen Grundwerte, und darauf folgend Micro-Aktivismus im Alltag.
Was Bewusstmachung demokratischer Werte ist, ist wohl allen, aber vor allem meinen Leser*innen bewusst. Dennoch will ich die gesellschaftlich relevanten demokratischen Werte hier aufzählen: Menschenwürde, Gleichheit vor dem Staat, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.
So, und nun zum zweiten Gedanken oder auch dazu, wie ich den ersten Gedanken ein bisschen im Alltag umsetzen möchte bzw. Vorschläge machen will, wie man diese umsetzen könnte.
Dies ist also eher als eine kleine Liste zu sehen, wie man demokratische Werte sich im Alltag bewusster machen kann, übergreifend kann man sagen: durch Micro-Alltags-Aktivismus. Was soll das aber heißen? Nun, „micro“ meint klein und teilweise eher unaufwendig, „alltags“ meint im Alltag integrierbar, und „Aktivismus“ deshalb, da es vor allem in der heutigen Zeit mir der passendere Begriff zu sein scheint.
So ist allein schon der bewusste Umgang/Umsetzung der demokratischen gesellschaftlichen Werte in meinen Augen Aktivismus, da dieser ja nur Aktionen zum Erreichen oder Fördern eines gesellschaftlichen oder sozialen Zieles ist.
Micro-Aktivismus im Alltag, vor allem der mit dem Ziel Demokratie zu fördern, sind also kleine einzelne Aktionen, die wir im Alltag integrieren können, um demokratische Werte zu fördern.
Hier also meine Liste:
1. Gendern
Dieses Thema mag manchen zum Hals raus hängen, allerdings ist es dem Wert der Solidarität ein sehr großer Gehilfe. Gendern ist nur das Einbeziehen aller oder mindestens beider Geschlechter in die Alltagssprache. Sprache beeinflusst so massiv, wie wir denken und somit wie wir handeln; sie ist die unsichtbare Hand, die uns beeinflusst.
In manchen Sprachen wird strikter nach Geschlechtern getrennt, wie zum Beispiel durch Konjugationen wie im Spanischen. So ist in diesen Ländern der Gedanke der Geschlechtertrennung verwurzelter.
Oder simpel gesagt: Stellen Sie sich vor, Sie besetzen eine ermittelnde Rolle in einem Polizeipräsidium und Ihre Kolleg*innen reden ständig von einem Täter. Schön und gut, ist ja auch das generische Maskulinum und somit die anerkannte Form.
Wenn Sie nun nach Ihrem Täter suchen, werden Sie automatisch an einen Mann denken – ist ja auch die sprachliche Assoziation. Damit schließen Sie aber mindestens 50 % der Gesellschaft als tatverdächtige Person aus. Und das kann sehr fatale Folgen haben.
Also: gendern. Wenn nicht mit Sternchen (wäre verständlich zu einem gewissen Grad), dann bitte zumindest mit beiden, also der männlichen und weiblichen Form, oder im besten Fall ganz in der neutralen Form, wenn es möglich ist (lehrende Personen oder Schülerschaft zum Beispiel).
Das ist so relevant, da wir damit alle oder zumindest die meisten Menschen einschließen. Somit zeigen wir damit Aufwand, alle zu integrieren – Solidarität gegenüber denen, die im Normalfall sprachlich ausgeschlossen werden – und vor allem, wenn Sie sich in einer Machtposition befinden, Gleichheit der Menschen vor den Machtpositionen.
2. Schreiben Sie eine E-Mail an Ihre Bundestagsabgeordneten
Eine der Ideen, die ich von meinem alten Mathelehrer mitgenommen habe, ist es, wenn ich ein Anliegen habe, dieses auch auszutragen. Der Ursprungsgedanke ging, glaube ich, so, dass man sich vorstellen soll, was man alles erreichen würde, würde man jeden Tag eine E-Mail an eine Person mit politischer Macht schreiben.
Realistischer ist es aber, wenn Ihnen etwas am Herzen liegt, dies einem oder einer Lokalpolitikerin mitzuteilen. Egal wer. Egal was.
Nutzen Sie Ihre Stimme, die Sie ja in der Demokratie haben, und teilen Sie denen, deren Job es ist, Sie zu vertreten, mit, was Sie zu sagen haben.
Im schlimmsten Fall nerven Sie diese Person, zeigen ihr damit, dass die Person ihren Job als Volksvertreterin ernst zu nehmen hat, und im besten Fall bewegen Sie etwas.
Auch wenn dies nicht das Alltäglichste ist, ist es dennoch Micro-Aktivismus und hilft den demokratischen Werten.
3. Kunst
Kunst ist menschlich und auch der Gesellschaft natürlich. Kunst ist auch immer politisch, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – sie zeigt, wenn nicht direkt, dann indirekt, immer die Zeit und Umstände, in der die Menschen leben, und diese sind eigentlich immer auch irgendwo politisch.
Aber was meine ich denn mit „Kunst“? Nun genau das: alles, was Kunst ist und was man mit ihr machen kann – ob es sie zu konsumieren, sie zu produzieren oder sie zu beachten ist.
Hier kommt auch wieder das Stück zusammengehäkelte Wolle ins Spiel, das versucht, den ersten Absatz des ersten Artikels des GG zu symbolisieren.
Mit der Auseinandersetzung mit Kunst, besonders aber explizit politischer, wird Ihnen bewusst werden, was Ihre Werte sind und was Ihre Themen sind.
Allein das zu verstehen, kann man als Micro-Aktivismus sehen – es ist eine kleine Aktion, die dem Ziel der Demokratieförderung dient. Und vor allem führt die Produktion oder Auseinandersetzung mit Kunst zur Förderung dieser und das fördert somit hoffentlich die weitere politische Auseinandersetzung von Menschen mit Kunst.
4. Vorbild
Sie sind ein Vorbild – immer. Egal, was Sie machen, Sie werden immer ein Vorbild sein, und zwar nicht nur für Kinder, sondern für jeden, der Sie sieht, in gewisser Hinsicht.
Dementsprechend achten Sie darauf, wie Sie sich verhalten: Möchten Sie, dass sich dieses Verhalten jemand abschaut und es vielleicht sogar reproduziert?
Meine Hypothese ist es, dass man massiv unterschätzt, wie sehr man ein Vorbild ist, da man es ja nie direkt oder oft gar nicht sieht.
Aber mit jeder Aktion, die man vormacht, normalisiert – und je nach Beziehung zwischen Vorbild und Lernendem (und anderen Faktoren) – auch idealisiert man Verhalten.
Das ist meiner Meinung nach zwar primär common sense, und das als Micro-Aktivismus zu bezeichnen ist vielleicht etwas romantisierend, aber achten Sie darauf.
Das ist meiner Meinung nach die effizienteste Form, als normale Bürger*in etwas zu verändern.
Fazit
Egal, welcher politischen Meinung Sie sich konkret zuordnen, gewisse Grundsätze haben wir hoffentlich alle. Und diese gilt es zu schützen und zu verteidigen.
Und genau das in seinen Alltag ein wenig mehr und aktiver auszuleben, ist vor allem in heutiger Zeit etwas sehr Relevantes und Wichtiges.
Ich gehe jetzt weiter häkeln – schönen Tag noch.
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